LKW-Maut verdoppelt sich ab 01. Dezember 2023

Ein Interview mit Andrea Marongiu, zur Einführung der CO2-Komponente:

Deutschland plant als erstes Land in Europa eine Erweiterung der LKW-Maut um eine CO2-Komponente, die 200€ pro emittierter Tonne CO2 betragen wird.

Das entspricht einer jährlichen Mehrbelastung unserer Wirtschaft von rund 7,6 Milliarden € und einer Verdopplung der aktuellen LKW-Maut.

Darüber haben wir mit Andrea Marongiu, dem Geschäftsführer des VSL gesprochen.

Herr Marongiu, wenn sich die Maut Anfang Dezember 2023 erhöht, müssen Spediteure pro Tonne CO2 200 Euro mehr bezahlen. Eine Riesenklatsche oder was meinen Sie?

Marongiu: Genau das ist es! Zu allen gestiegenen Kosten, zum Beispiel durch die Inflation, den erhöhten Zinssatz, Löhne und Gehälter kommt jetzt noch der CO2-Aufschlagdazu. Müssen das wirklich 200 Euro sein? Es liegen Vorschläge für eine stufenweise Erhöhung vor. Ein Einführungspreis von 100 Euro pro Tonne wäre europarechtlich durchaus möglich gewesen. Das hätte den Kostenschock für die Branche spürbar gesenkt. Man darf ja auch nicht vergessen, dass bereits beim Tanken eine CO2-Abgabe geleistet wird. Natürlich verstehen wir, dass es wichtig ist, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, aber die Spediteure können nicht von heute auf morgen auf E-Lkw umstellen. Das liegt nicht nur an den hohen Kosten für die Fahrzeuge und dem fehlenden Fahrzeugangebot, sondern auch an der mangelnden Ladeinfrastruktur.

Sie meinen, die Lenkungswirkung funktioniert nicht? Können Sie das genauer erklären?

Andrea Marongiu, Geschäftsführer VSL

Marongiu: Natürlich. Die Idee hinter der Maut ist, die Spediteure dazu zu bewegen, auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen – was ja längerfristig auch unser Ziel ist. So schnell, wie sich die Politik das vorstellt, geht es allerdings nicht. Es sind 223.000 Sattelzugmaschinen und 460.000 Fahrzeuge über 3,5 Tonnen auf unseren Straßen unterwegs: Wie sollen die so schnell mit E-Fahrzeugen ersetzt werden? Letztes Jahr waren weniger als 2.500 E-Lkw zugelassen. In der EU waren es etwa 4.000.

Die nächste Frage ist: Wo sollen die laden? Die Ladeinfrastruktur für E-Lkw ist noch sehr schlecht ausgebaut. Das ist ein langsamer Prozess. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint mir die Maut eine willkommene Steuereinnahme von über 7 Milliarden Euro pro Jahr, was übrigens einer Mehrwertsteuer-Erhöhung von 0,4 Prozent entspräche. Ein weiteres Ärgernis ist, dass die Einnahmen aus dem CO2-Aufschlag auf die Maut nicht 1:1 der Straßen-Infrastruktur bzw. der Verkehrsinfrastruktur zugute kommen. Die Politik hat an dieser Stelle Vertrauen verspielt.

Das sieht der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) genauso und spricht von Wortbruch. Was passiert mit den zusätzlichen Einnahmen von rund 7 Milliarden?

Marongiu: Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung verspricht einen geschlossenen Finanzierungskreislauf zwar nicht mehr für die Straße, jedoch für die Mobilität inkl. Schiene und Binnenwasserstraße. Das Versprechen wird nun gebrochen, denn zukünftig soll nur noch die Hälfte der Mauteinnahmen für Investitionen in Bundesfernstraßen fließen. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie bitter das für die Branche ist. Die Mehreinnahmen sind vor allem für den Schienenverkehr vorgesehen. Konkret heißt das, dass die Lkw-Maut ab 2025 rund 80 Prozent aller Verkehrswegeinvestitionen des Bundes deckt, da nur rund 4 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Steuertopf in die Verkehrsinfrastruktur fließen. Somit werden die Spediteure die größten Finanziers der Fernverkehrswege.

Wenn das Gesetz Ende Oktober verabschiedet wird, bleibt bis Anfang Dezember nicht mehr viel Zeit, sich darauf einzustellen. Was raten Sie den Spediteuren?

Marongiu: Wer sich jetzt noch nicht damit beschäftigt hat, sollte das schleunigst tun! Der VSL hat eine Kampagne gestartet, mit der wir unsere Kunden aus Industrie und Handel, die Abgeordneten und auch die Bürger über die Maut und deren Auswirkung informieren. Bei etwa 20.000 Euro Mehrkosten pro Lkw – je nach Einsatzart – kommt da schnell eine enorme Summe zusammen, die die Spediteure stemmen müssen. Mein Appell: aufwachen, rechnen, handeln. Andernfalls bricht die Preiserhöhung das Genick. Zudem raten wir, Politiker zu sich ins Unternehmen einzuladen und die Situation zu schildern. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das häufig zu einem Aha-Effekt führt und für mehr Verständnis sorgt.

Dabei gäbe es Alternativen, wie man es zum Beispiel in Schweden sieht. Dort wurden die gesamten CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs halbiert, indem HVO100-Biodiesel gefördert wird. Warum macht man das Ihrer Meinung nach nicht in Deutschland?

Marongiu: Diese Möglichkeit ist hier komplett unter den Tisch gefallen. Das wäre eine gute Lösung gewesen, um die Branche – und letztendlich auch die Endverbraucher – zu entlasten. 90 Prozent weniger CO2, das Ganze quasi über Nacht bei bestehender Infrastruktur. Ich frage mich, ob es hier wirklich um CO2-Einsparungen geht oder nur um mehr Steuereinnahmen.

Mit dem CO2-Aufschlag Anfang Dezember ist es ja noch nicht getan. Ab dem 1. Juli 2024 wird eine Maut für Lkw ab 3,5 Tonnen eingeführt. Ein weiteres Ärgernis?

Marongiu: Je nach Sichtweise. Es geht darum, alle Nutzer an den Kosten zu beteiligen. Mal schauen, welche Auswirkungen dies auf die Zahl der internationalen Transporte mit dieser Fahrzeugklasse haben wird. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Zustellfahrzeuge der Paktdienstleister, doch die „Versprinterisierung“ im Fernverkehr sehen wir kritisch. Alle Nutzer hieße im Übrigen auch die Pkw zu beteiligen, doch das ist eine andere Geschichte.

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